Ist der Erwerb von Betäubungsmitteln zum Suizid in Fällen schwerer Krankheit erlaubt?

Die Beantwortung dieser Frage kann unmittelbare Auswirkungen haben, etwa für die Formulierung einer Patientenverfügung (LINK https://www.rechtsanwalt-notar-heskamp.de/erbrecht/patientenverfuegung/). Nach dem bisherigen Verständnis ist die assistierte Selbsttötung nicht zulässig.

Die Frage nach der Reichweite des Selbstbestimmungsrechts  beschäftigt derzeit das Verwaltungsgericht Köln. Das Gericht hat sechs laufende Verfahren ausgesetzt und das Bundesverfassungsgericht angerufen: 

Geklagt hat unter anderem ein 49 Jahre alter Patient, der an Multiple Sklerose erkrankt ist und der beständig unter starken Schmerzen, verursacht durch Krämpfe, leidet. Der Betroffene klagt gegen einen Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, mit dem ihm die Erlaubnis zum Erwerb eines Betäubungsmittels (hier Pentobarbital) in einer tödlichen Dosis versagt wurde. Nach dem Wortlaut der entsprechenden gesetzlichen Grundlage ist der Erwerb von Betäubungsmitteln zwar aus therapeutischen Gründen, etwa zur Schmerzlinderung, erlaubt, jedoch nicht zum Zwecke der Selbsttötung. 

Das Verwaltungsgericht Köln hat dieses und die weiteren einschlägigen Verfahren ausgesetzt und das Bundesverfassungsgericht angerufen, weil es das generelle Verbot, Betäubungsmittel zur Selbsttötung zu erwerben, für verfassungswidrig hält. 

Das Bundesverwaltungsgericht hatte bereits mit Urteil vom 02.03.2017 (LINK: https://www.bverwg.de/020317U3C19.15.0) entschieden, dass der Erwerb eines Medikaments zur Selbsttötung in Ausnahmefällen zulässig ist, wenn sich der Betroffene wegen einer schweren und unheilbaren Krankheit in einer extremen Notlage befindet. Nach dem Bundesverwaltungsgericht setzt dies voraus, dass die Erkrankung gravierendes körperliches Leiden verursacht, der Erkrankte selbst die Entscheidung zur Tötung treffen kann und keine anderen zumutbaren Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Anders als das Verwaltungsgericht Köln hat das Bundesverwaltungsgericht seinerzeit die entsprechenden Vorschriften des BtMG (Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln) so ausgelegt, dass unter den genannten Voraussetzungen der Erwerb zur Selbsttötung erlaubt ist. 

Das Bundesverfassungsgericht erhält nunmehr Gelegenheit, die Frage grundsätzlich zu klären.

Erben haben Anspruch auf Urlaubsvergütung von Verstorbenen

Nach § 7 IV Bundesurlaubsgesetz (BurlG) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Abgeltung von Urlaub und also auf Zahlung, wenn dieser wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (etwa durch eine Kündigung) nicht mehr genommen werden kann. 

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat bisher den Erben aber dann keinen Abgeltungsanspruch zuerkannt, wenn das Arbeitsverhältnis erst durch Tod des Arbeitnehmers endet und aus diesem Grund der Urlaub nicht mehr genommen werden kann. Begründet wurde dies damit, dass der Urlaubsanspruch mit dem Tod erlischt und auch der mit der Abgeltung beabsichtigte Erholungszweck nicht mehr erreicht werden kann. 

Diese Rechtsprechung ist nunmehr überholt. Auf entsprechende Vorlage des BAG Hamm hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 06.11.2018 (Az. C-569/16 und C-570/16 entschieden, dass der Abgeltungsanspruch sehr wohl auf die Erben übergeht. Dies gilt sowohl für den gesetzlichen Mindesturlaub als auch für tariflichen Mehrurlaub.

Das gilt selbstverständlich auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist und der Arbeitnehmer danach stirbt. 

Nachträgliche Steuervorteile für gleichgeschlechtliche Ehepaare

Aus gegebenem Anlass möchte ich auf eine Entscheidung des Finanzgerichts Hamburg (Az. 1 K 92/18) aufmerksam machen, die gleichgeschlechtlichen Ehepaaren nachträgliche Steuervorteile durch Splittingtarif ermöglicht.

Die Kläger hatten zunächst eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründet. Durch Abgabe entsprechender Erklärungen vor dem Standesbeamten ist die Lebenspartnerschaft dann in eine Ehe umgewandelt worden. Das Finanzamt lehnte es ab, die Kläger antragsgemäß für vergangene Veranlagungszeiträume seit Beginn der Lebenspartnerschaft gemeinsam zu veranlagen.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Der Erste Senat des Finanzgerichts Hamburg ermöglicht es den Klägern, sich für den gesamten Zeitraum seit Eingehung der Lebenspartnerschaft gemeinsam veranlagen zu lassen und entsprechende Steuervorteile in Anspruch zu nehmen. Das Gericht begründet dies vor allem damit, dass nach Art. 3 II des Eheöffnungsgesetzes die Umwandlung der eingetragenen Lebenspartnerschaft in eine Ehe auf den Zeitpunkt der Begründung der Lebenspartnerschaft zurückwirkt. Die steuerliche Rückwirkung (§ 175 I 1 Nr. 2 Abgabenordnung) ist nach Auffassung des Gerichts hier gerechtfertigt, denn es handelt sich dabei um eine Änderung der tatsächlichen Umstände und nicht um eine nachträgliche steuerrechtliche Änderung.

Die Entscheidung hat enorme Auswirkungen für eingetragene Lebenspartnerschaften, die in eine Ehe umgewandelt werden. Dies vor allem deshalb, weil eine neue und gegebenenfalls steuerlich günstigere gemeinsame Veranlagung auch für solche Jahre möglich ist, die bisher durch bestandskräftige Bescheide auf Grundlage getrennter Veranlagung abgeschlossen sind.

Geschiedenentestament: Wer erbt nach der Scheidung?

Geschiedene Ehegatten stehen nach der Scheidung der Ehe vor der Notwendigkeit, die Vermögensnachfolge neu zu überdenken. Aufgrund der Scheidung fällt der Wunsch, den ehemaligen Ehegatten auch nach dem eigenen Tod zu versorgen, weg. Dies wird auch vom Gesetz so berücksichtigt: Das Ehegattenerbrecht fällt nach der Scheidung weg. Gesetzliche Erben eines geschiedenen Ehegatten sind dessen Verwandte. Sind Kinder vorhanden, sind diese alleinige gesetzliche Erben nach jedem Elternteil. Die Absicherung der Kinder steht nunmehr im Vordergrund.

Sollte jedoch ein Kind nach dem Erbfall seinerseits versterben, könnte der geschiedene Ehegatte als verbleibender Elternteil und damit gesetzlicher Erbe des Kindes über diesen Umweg am Nachlass des zuerst verstorbenen geschiedenen Elternteils beteiligt werden. Dies ist in der Regel nicht gewünscht.

Das kann zuverlässig mit einem sog. Geschiedenentestament geregelt werden. Hier wird mit der Anordnung einer sog. Vor- und Nacherbfolge oder einem Herausgabevermächtnis vorgebeugt. Ergänzt werden kann dies durch Anordnung einer Testamentsvollstreckung.

Zudem wird im Testament dem verbleibenden Elternteil das Recht entzogen, das vom Kind ererbte Vermögen zu verwalten (§ 1638 BGB). Eine entsprechende Formulierung könnte etwa lauten:

„Soweit meine Kinder aus meiner Ehe mit … beim Erbfall noch minderjährig sind, entziehe ich … das Recht, den Erwerb von Todes wegen zu verwalten. Sollte eine Pflegerbestellung erforderlich sein, benenne ich …, ersatzweise …, als Pfleger.“

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 29.6.2016  nunmehr entschieden, dass ein Elternteil, der durch eine solche Anordnung im Testament von der Verwaltung des ererbten Vermögens des Kindes ausgeschlossen ist, auch nicht im Namen des Kindes die Erbschaft ausschlagen darf. Dies ist bedeutsam, denn mit der Möglichkeit zur Ausschlagung der Erbschaft hätte es der verbleibende Elternteil ansonsten in der Hand, Pflichtteilsansprüche für das Kind geltend zu machen.

Das sog. Geschiedenentestament bleibt damit ein gutes Gestaltungsmittel, wenn der jeweils andere Elternteil zuverlässig von jedem Zugriff auf das anlässlich des Erbfalls erlangte Vermögen ausgeschlossen werden soll.

Besonderheiten gelten, wenn die Ehegatten ein Testament oder Erbvertrag errichtet und darin Verfügungen zugunsten des anderen Ehegatten getroffen haben. Zwar werden solche letztwilligen Verfügungen mit Rechtskraft der Scheidung grundsätzlich unwirksam; dies gilt jedoch dann nicht, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser sie auch für den Fall der Scheidung getroffen hat, sie also nach dem Willen des Erblassers trotz Scheidung wirksam bleiben soll. Spätestens bei der Scheidung sollte deshabl geklärt werden, ob ein Testament  (oder Erbvertrag) zugunsten des anderen Ehegatten abgeändert werden soll.

Patientenverfügung vermeidet Rechtsunsicherheiten

Mit Urteil vom 02.04.2019 hat der Bundesgerichtshof (Az. VI ZR 13/18) es abgelehnt, das Leben – auch ein „leidensbehaftetes Weiterleben“ – als Schaden anzusehen.

Geklagt hatte ein Sohn für seinen zwischenzeitlich verstorbenen Vater und als Erbe Schadensersatzansprüche gegen den behandelnden Arzt durch drei Instanzen geltend gemacht. Der Arzt hatte bei dem Vater eine sog. Magensonde angelegt, mit welcher der Vater bis zu seinem Tod künstlich ernährt wurde. Der klagende Sohn war der Auffassung, dass die künstliche Ernährung weder medizinisch indiziert noch vom Patientenwillen, also dem Willen des Vaters, gedeckt gewesen sei. Eine Patientenverfügung hatte der Vater nicht erstellt. Die Klage war auf Erstattung von Behandlungskosten von rd. 53.000,- Euro und auf Schmerzensgeld gerichtet. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht in der zweiten Instanz hingegen hat dem Kläger ein Schmerzensgeld von 40.000,- Euro zugesprochen. Der Bundesgerichtshof hat die Klage insgesamt abgewiesen. Aus dem durch lebenserhaltende Maßnahmen ermöglichten Weiterleben eines Patienten lasse sich ein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld nicht herleiten.

Das Urteil zeigt anschaulich, wie schwierig es ohne Patientenverfügung sein kann, den tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen eines Patienten zu ermitteln, wenn es um die Beantwortung der Frage geht, ob lebensverlängernde Maßnahmen ergriffen werden sollen oder nicht.

Mit einer Patientenverfügung kann jeder selbst bestimmen, ob und wie er weiterbehandelt werden möchten.

In rechtlich eindeutiger Weise wird hierdurch bestimmt, ob in einer gesundheitlich hoffnungslosen Situation lebensverlängernde Maßnahmen ergriffen werden sollen oder nicht.

Dies verhindert kostenträchtige und nervenaufreibende Rechtsstreitigkeiten. Es entlastet zudem die Angehörigen von der alleinigen Verantwortung für die Frage nach Leben und Tod.

Die Patientenverfügung sollte möglichst mit einer Vorsorgevollmacht verbunden werden. Die Vorsorgevollmacht regelt grundsätzlich, wer den Betroffenen vertritt, wenn er selbst nicht mehr in der Lage ist, seine Angelegenheiten zu regeln. Die Bevollmächtigten entscheiden dann zusammen mit dem behandelnden Arzt, was in der betreffenden Situation der Wille des Patienten ist.